Das Herz von Libertalia by Anna Kuschnarowa

Das Herz von Libertalia by Anna Kuschnarowa

Autor:Anna Kuschnarowa [Kuschnarowa, Anna]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 978-3-407-74514-9
Herausgeber: Beltz & Gelberg
veröffentlicht: 2015-05-10T16:00:00+00:00


7

Von nun an sah ich Jack jeden Tag. Tagsüber am Hafen, wo ich ihm und seinen Männern gegen einen geringen Obolus half, die »Neptune« auf Vordermann zu bringen. Nach und nach freundete ich mich mit Jack an. Vielmehr, Jack freundete sich mit John Dean an. Jack war intelligent und geschickt, jedoch ein mäßiger Arbeiter, aber er schien mich gut leiden zu können.

Und auch nachts sah ich ihn, denn so sicher wie das Amen in der Kirche tauchte Jack nach Sonnenuntergang im »One Eye’s« auf, wo er Anne Bonny den Hof machte, während er sich tagsüber bei John Dean über ihre Sturheit und Hartleibigkeit beschwerte. Nachts überhäufte er mich mit kostbarem Tand, und in der Tat, es waren erlesene Stücke, die auch einer Königin gut zu Gesicht gestanden hätten, und ich war mir mit mir selbst nicht einig, ob ich mich über sie freute oder empört war, weil es ja beinahe so aussah, als wollte er mich kaufen. Wie auch immer. Ich trug seinen Schmuck nie, sondern hob ihn für schlechte Zeiten auf, die ja manchmal schneller vor der Tür stehen, als man denkt. Zu glauben, dass ihn seine Geschenke schon zum Ziel führen würden, das würde ich ihm austreiben.

Und so kam es, dass ich am eigenen Leib erfahren konnte, wie unterschiedlich Jack mit Männern und mit Frauen umging.

Am Tag freundschaftlich, ein Großer-Bruder-kleiner-Bruder-Verhältnis, ein Mann, mit dem man interessante Gespräche führen und Pferde stehlen und von dem man durchaus noch etwas lernen konnte.

Am Abend ein Verehrer und Geck, der mir nichts bot als kostbaren Tand und galantes Geschwätz, das mich schnell ermüden ließ und vor dem davonzulaufen das einzig Ratsame schien.

Dennoch geschah es gelegentlich, dass ich von Calico-Jack träumte, und dafür verfluchte ich mich. Wie es wohl für ihn wäre, wenn er eines Tages herausbekäme, dass er John Dean eigentlich von Mann zu Frau verriet, wie mit den Weibern umzugehen sei? Und ich fragte mich, wie lange sich dieses Verwirrspiel wohl noch hinziehen würde, und ob es jemals zu einer Auflösung käme. Und vor allem, ob es ratsam wäre, auf demselben Schiff wie Jack anzuheuern. Aber wie sollte ich sonst endlich Nassau verlassen?

Nach solchen wehmütigen Träumen musste ich oft an Jonathan denken. Was wäre gewesen, wenn ich ihm damals die Wahrheit gesagt hätte? Ob er Libertalia wohl schon gefunden hatte? Ich wischte den Gedanken beiseite. Zunächst ging es einzig darum, irgendein Schiff zu finden, das mich mitnahm. Vermutlich konnte ich getrost auf der »Neptune« anheuern, denn Rackham war ja stets so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er noch nicht einmal den Hauch eines Verdachtes geschöpft zu haben schien.

Und ich? Konnte ich mir selbst trauen? Nun, es könnte sein, dass ich mich in den Tag-Jack ein ganz klein wenig verliebt hatte, aber der Nacht-Jack stellte sich als solch galanter Schwätzer dar, dass ihn von mir aus der Teufel holen konnte.

Doch es sollte sich zeigen, dass dies alles gar nicht so einfach war.

»Was ist, John, hast du mittlerweile schon bei Vane vorgesprochen?«, fragte mich Jack eines Tages.

In der Tat, das hatte ich nicht.



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